Gegen das Vergessen

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Holocaustüberlebende Lydia Tischler besuchte Oederan

Auf Initiative unseres Vereins besuchte Ende April die Holocaustüberlebende Lydia Tischler (96) Oederan. Geboren 1929 in Mährisch Ostrau, ist sie als Jüdin über Theresienstadt und Auschwitz in das KZ-Außenlager Oederan (KZ-Hauptlager Flossenbürg) verschleppt worden. Hier musste sie als Zwangsarbeiterin 1944/45 Munition für die deutsche Rüstungsindustrie fertigen und war auch in einem Außenkommando tätig.

Zum Ende des Krieges überlebte sie die Evakuierung nach Theresienstadt und ging nach London zu ihrem Vater, dem die Flucht noch vor dem Krieg gelang. Sie studierte Psychoanalyse, u.a. bei der Tochter von Siegmund Freud und wurde eine weit anerkannte Kinderpsychoanalytikerin. Damit konnte sie ihre eigene Lebens- und Leidensgeschichte verarbeiten.

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Beim Empfang des Bürgermeisters Steffen Schneider trug sich Lydia Tischler in das Goldene Buch der Stadt Oederan ein. Sie schrieb u.a.

„ … möge es immer so bleiben, dass die Menschen sich überall achten und verstehen, damit alle in Frieden leben.“

Lydia Tischler bei den Jugendlichen

Wie bei ihrem ersten Besuch in Oederan 2007 sprach sie vor Schülern der Oberschule Oederan und des Gymnasiums Flöha. An einem gemeinsamen Nachmittag der Ev.-luth. Kirchgemeinde und des Jugendprojektes „KONTRAST“ des Regenbogenbus e.V. beantworte sie viele Fragen der Jugendlichen.

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Lydia Tischler sprach mit ruhiger Stimme über ihren Lebensweg der Entrechtung und Entmenschlichung, besonders in Auschwitz. Dort hat sie ihre Mutter nie wieder gesehen. Als 15-Jährige wurde sie mit ihrer 18-jährigen Schwester Ruth in das KZ-Außenlager Oederan verschleppt. Dank ihres Willens zum Leben und der Arbeit im Lager überlebte sie, trotz der Entbehrungen. Sie machte in den Gesprächen deutlich: Die jetzige Generation trägt keine Schuld – aber die Verantwortung, dass so etwas nicht wieder passiert.

Genau das ist das Motto des KKV-Projektes „Gegen das Vergessen – Erinnerung leben“. In diesen Geschichtstunden mit einer Zeitzeugin war stets angespannte Stille. Alle Jugendlichen fanden in der Auswertung sehr begeisterte, nachdenkliche und wertschätzende Worte. Sie hätten am liebsten noch länger mit Lydia Tischler gesprochen.



Gedenken im ehemaligen Lager

Das öffentliche Gedenken im ehemaligen Lager und auf dem Friedhof fand unter reger Beteiligung von Oederanern und Gästen statt. Sie nahmen so am Schicksal von Lydia Tischler und ihren 500 Leidensgenossinnen teil.

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Gedenken an den jüdischen Gräbern

Auf dem Friedhof erzählte Lydia Tischler, wie sie die 20-jährige Polin Chana Cytryn beerdigen musste. Diese sollte zunächst ohne Kleidung oder Decke nackt begraben werden, aber durch den vehementen und risikoreichen Disput einer Mitgefangenen mit der Aufseherin konnte sie würdevoll begraben werden.

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Pfarrerin Cornelia Roßner sprach an den Gräbern und zitierte den Holocaustüberlebenden und späteren Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel: „Jeder, der heute einem Zeugen zuhört, wird selbst ein Zeuge werden.“ Und weiter: „Heute ist so ein Tag, an dem wir genau das erleben, denn wir durften ihnen zuhören, liebe Frau Tischler“.

Musikalisch wurden das Gedenken von Frank und Friedemann Klawe mit nachdenklichen, dem Charakter der Veranstaltung ausgewählten Melodien begleitet.

Fotos: E. Ohm, K. Reißmann
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Mit Unterstützung der Stadt Oederan, Ev.-luth. Kirchgemeinde Oederan, Oberschule Oederan, des Gymnasium Flöha, dem Regenbogenbus e.V. und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Fragen an die Oederaner

Wer kann sich erinnern?

• an das Zwangsarbeitslager und der Häftlinge aus eigenem Erleben
• an Berichte damaliger Zeitzeugen – denn sie sind auch Zeugen
• an die Außenkommandos im öffentlichen Raum bei kommunalen Bauarbeiten von Strom- und Wasserleitung
• an die Zwangsarbeiterkolonne, die täglich vom Werk K (Nähfadenfabrik Kabis) zum Werk S (Weberei Salzmann – heute bekannt unter Wäscheunion) und wieder zurück unterwegs war
Die Weberei Salzmann wurde für die Munitionsproduktion vorbereitet. Das Ende des Krieges verhinderte die Produktionsaufnahme.
Wer hat authentische Berichte, Tagebuchaufzeichnungen von Familienangehörigen oder gar Fotos aus der Zeit 1944/45 über die Zwangsarbeiterinnen?

Bitte melden Sie sich beim Kultur- und Kunstverein Oederan e.V. Ehrenzug 7, 09569 Oederan, info@kkv-oederan.de
Projektleiter Eberhard Ohm, Tel. 037292/4491

Weiterführende Literatur zum KZ-Außenlager Oederan ist in der Stadtbibliothek ausleihbar:

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GRETE SALUS: „Niemand, nichts – ein Jude“ - Theresienstadt, Auschwitz, Oederan

Verlag Darmstädter Blätter 1981, ISBN 3-87139-070-4

Ein sehr früher Erinnerungsbericht der ehemaligen Oederaner Zwangsarbeiterin Grete Salus (1910–1996) über die Deportation von Theresienstadt über Auschwitz nach Oederan und die Befreiung in Theresienstadt, aufgeschrieben bereits im Sommer 1945. Erstmals veröffentlicht in Auszügen 1958 in Deutschland, vollständig herausgegeben 1959 unter dem Titel „Eine Frau erzählt“

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GRETE SALUS: „Ein Engel war nicht dort“ - Ein Leben wider den Schatten von Auschwitz

FORUM VERLAG LEIPZIG 2005, ISBN 3-931801-52-7

Ein sehr früher Erinnerungsbericht, aufgeschrieben 1945 von der ehemaligen Oederaner Zwangsarbeiterin Grete Salus (1910 – 1996). Erstmals veröffentlicht in Auszügen 1958 in Deutschland, vollständig herausgegeben 1959 unter dem Titel „Eine Frau erzählt“. In der DDR wurde eine Veröffentlichung abgelehnt. 2005 neu herausgeben – erstmals in Ostdeutschland – und ergänzt um ihren weiteren Lebensweg über England nach Israel sowie der Spurensuche von Dresdnern in der 90er Jahren in Israel.

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PASCAL CZIBORRA: „KZ Oederan“ – Verlorene Jugend

Lorbeer Verlag 2008, ISBN 978-3-938969-069

Eine Dokumentation über die Entstehung des Lagers bis zur Auflösung sowie Ausführungen zu einzelnen Deportationen, über die Häftlinge, das Wachpersonal und Auszüge aus Zeitzeugenberichten